Energiebürger
"Best Practice" – zu Deutsch Erfolgsmodelle – sucht das Bündnis Bürgerenergie, um die dezentrale Energiewende wieder in die Spur zu bringen. (Foto: Daniel Förderer)

Herr Rühl, seit zwei Wochen suchen Sie das "Bürgerenergieprojekt 2018". Den Gewinnern winkt eine professionelle Beratung ihrer Vorhaben und Geschäftsideen durch besonders erfahrene Bürgerenergie-Unternehmungen. Wie kamen Sie auf diese Idee? Gibt es unter den Bürgerenergie-Initiativen nicht genügend Austausch?

Martin Rühl: Im Bündnis hatten wir den Eindruck, dass sich – vor allem wegen der verschlechterten Rahmenbedingungen – in der Bürgerenergie eine gewisse Mutlosigkeit ausbreitet. Tatsächlich wird Bürgerenergie politisch derzeit nicht gerade begünstigt.

Zugleich erleben wir aber, dass sich davon engagierte Menschen nicht abschrecken lassen und ihr Projekt durchkämpfen wollen, sie aber noch "Restfragen" haben, ob und wie es klappen könnten. Oder sie stehen gerade an einer Schwelle und fragen sich, wie sie die überwinden können. Da können Erfahrungen aus "Best Practice"-Projekten sicher helfen, der Wettbewerb soll dafür Anregungen geben.

Die Bürgerenergie lebt noch immer, wie eine kürzliche Studie der Uni Kassel zeigt, vor allem vom ehrenamtlichen Engagement. Viele Bürgerenergie-Projekte wollen auch mehr tun, als "nur" Strom aus Wind und Sonne zu liefern – sie wollen ihren Ort lebenswerter machen oder den Klimaschutz befördern. Wie sehen Sie diese Ambitionen?

Beide Trends nehme ich auch wahr. Zum einen fragen sich viele Bürgerinitiativen, warum sie die meist ehrenamtliche Arbeit auf sich nehmen. Das geht nur, wenn man wirklich überzeugt ist von dem, was man tut.

Zum anderen ist die Energiewende nur ein Teil des gesellschaftlichen Umbauprozesses, den wir vor uns haben. Dieser ist ganz breit gefächert. Warum sollen nicht Bürgerenergiegenossenschaften zum Beispiel Ladestationen für E-Mobilität anbieten? Wir haben da zum Beispiel eine Usedomer Genossenschaft mit einem ganz schlanken Projekt.

Um die Klimaschutz-Ziele zu erreichen, benötigt Deutschland einen solaren Rollout in den Städten. Haben sich mit dem Mieterstromgesetz die Bedingungen dafür nicht entscheidend verbessert?

Das Mieterstromgesetz, das muss man so klar sagen, ist ein Schuss in den Ofen. Zwar gibt es eine Förderung, aber sobald Dritte mit dem Ökostrom beliefert werden, wird die EEG-Abgabe fällig. Das halten wir für fehlgeleitet und diskriminierend.

Zur Person

Martin Rühl ist Vorstandschef beim Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Von 1987 bis 1998 arbeitete er in einem Planungsbüro für innovative Energietechnologien, war bis 2016 bei den Stadtwerken Wolfhagen bei Kassel tätig und ist derzeit  Geschäftsführer der Stadtwerke Union Nordhessen.

Beim Mieterstrom hätte die Chance bestanden, die Energiewende in die Breite zu entwickeln und sie auch denen zugutekommen zu lassen, die bisher weniger profitierten. Das wäre ein Riesenschritt in Richtung Akzeptanz der Energiewende gewesen.

Gut entwickelt sich aber die private Nutzung der Photovoltaik, auch wenn die Ausbaugeschwindigkeit in Deutschland den notwendigen Beitrag zu den Klimaschutzzielen bei Weitem nicht erfüllen kann. Dennoch ist das ein interessantes Betätigungsfeld für Bürgerenergie.

Wir müssen über Quartiers-, wenn nicht sogar Mini-Quartiers-Lösungen nachdenken. Ich erwarte, dass sich in unserem Wettbewerb dazu der eine oder andere mit einem innovativen Konzept meldet. Die Photovoltaik vor Ort könnte zum Beispiel mit regionalem Windstrom verknüpft werden. Daraus eine Art all-electrical world zu bauen, halte ich auch für unsere Energiegenossenschaften für ein interessantes Feld.

Es geht für uns darum, sich immer wieder auf neue Rahmenbedingungen einzustellen, von den Besten zu lernen und innovative Ideen nach vorn zu bringen und publik zu machen.

Dabei haben wir zwei Ziele. Zunächst versteht sich die Bürgerenergie als Netzwerk und will Best-Practice-Beispiele verbreiten. Wir sehen uns aber auch als eine Art Heimat für Menschen, die sagen: Schaut mal, wir dachten, die Idee ist nicht umsetzbar, aber wir zeigen, wie man es doch machen kann.

Bürgerenergie als Heimat für Energiewende-Interessierte?

Warum nicht? Auch wenn wir ab und zu als Bürgerenergie vom Gesetzgeber einen Schlag in die Magengrube bekommen, so gibt es doch viele positive Beispiele, wo Leute vor Ort mit ihren Mitteln etwas für Klimaschutz und Energiewende tun.

Klar, der Gesetzgeber ist gefordert – aber wir wollen auch zeigen, dass sich dennoch gute und lohnenswerte Projekte realisieren lassen. Wenn das bei diesem Wettbewerb um das Bürgerenergieprojekt 2018 deutlich wird, sind wir einen großen Schritt weiter.

Wettbewerb um das Bürgerenergieprojekt 2018

Noch bis zum 31. Oktober können sich interessierte Bürgerenergiegesellschaften online bewerben. Beteiligen können sich Genossenschaften, GmbHs, Vereine, Personengesellschaften wie auch andere Formen der bürgerschaftlichen Teilhabe an der Energiewende.

In ihrer Bewerbung sollen die Bewerber sich selbst porträtieren und dadurch deutlich machen, warum sie zu den drei Bürgerenergieprojekten 2018 gehören sollten – und was sie sich von einer Beratung erhoffen. Die Selbst-Porträts werden dann auf der Projektwebsite "Bürgerenergieprojekt 2018" vorgestellt. Die Gewinner aus diesem Kreis werden durch ein Voting bestimmt, das von der Netzgemeinde und einer Jury entschieden wird.

Die drei Gewinner-Gesellschaften werden am 24. November 2018 auf dem Bürgerenergie-Konvent in Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) bekannt gegeben und gekürt. Gleich im Anschluss an den Konvent startet für die Gewinner die Phase zur Einlösung ihrer Stipendien.

Sehen Sie sich hier nochmal die Gewinner aus dem letzten Jahr an.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit dem Bündnis Bürgerenergie e.V. in der Rubrik Advertorials erschienen.